Deutschlandradio Kultur 10.9.2011
Ihre Idee hat mich fasziniert und ist doch für unsere Lebens- und Wohnkultur ziemlich ungewöhnlich. Denn den Tod, den halten wir uns ganz gerne vom Hals solange es geht. In der Regel begegnet er uns im dezent silbergrauen Leichenwagen auf der Straße oder den Todesanzeigen der Tageszeitung. Plötzlich näher rückt er uns nur, wenn der Verstorbene jemand war, den wir gekannt haben. Womöglich einer, der sogar jünger war als wir. Mit Siottos Sargmöbeln jedoch steht die Erinnerung an die eigene Endlichkeit gewissermaßen im Wohnzimmer. Wer ein solches Möbel hat, begegnet ihr quasi Tag für Tag. Auch wenn der Tod damit natürlich keinen Tag früher ins Haus kommt, gewöhnungsbedürftig mag das dennoch sein. Ihre ungewöhnlichen Möbel sind für mich so etwas wie eine andere Form des Totentanzes. Auf Gemälden oder an den Portalen manch alter Kirche kann man ihn gelegentlich finden. Szenische Darstellungen, in denen Figuren das Thema Tod variieren. Oft tritt er dort sogar selber auf. Personifiziert als kapuzentragender Sensenmann etwa, der umhergeht, um Menschen abzuholen. Bedenke immer, dass deine Zeit hier nur begrenzt ist, darum nutze sie, riefen solche Bilder den Vorübergehenden zu. Genau das könnten auch Siottos ungewöhnliche Sargmöbel tun. Nicht jedoch, um uns den Tag zu vermiesen, sondern ganz im Gegenteil. Als eine Einladung, jeden neuen Tag erst recht bewusst zu leben. Denn wir haben hier auf Erden ja nur diese eine, gar nicht so lange Zeitspanne, die uns zur Verfügung steht. Das Bewusstsein um ihre Begrenztheit ist es, die sie erst so richtig wertvoll macht. Über den Autor Martin Wolf |