Schreinerin fertigt Schränke für die Ewigkeit

Anna Siottos Sargmöbel

Anna Siotto hat auf der Bundesgartenschau in Brandenburg und Sachsen Anhalt mit ihren Sargmöbeln für Aufsehen gesorgt. Die Schreinerin, Tochter eines deutsch-italienischen Paares, lebt seit einem Jahr im Fläming und hat schon zehn dieser Sargschränke verkauft. Einer davon ist schon unter der Erde.

Anna Siotto mit einem Sargschrank

Anna Siotto und ihr Sarg-Schrank. Für die Beerdigung kommen die Regalböden heraus.

Es gibt Geschenke, die kommen nicht gut an. Die Sarg-Möbel der italienischen Künstlerin Anna Siotto aus dem Fläming zählen wohl dazu. Sie sollten sich Interessierte, die den Nervenkitzel beim Betrachten ihres künftigen Sarges, suchen, lieber selbst kaufen. Vor wenigen Tagen stand ein solcher übermanngroßer Schrank aus Birnbaum-Holz im Potsdam-Mittelmark-Pavillon der Bundesgartenschau auf dem Packhof. „Dies ist ein Sargmöbel: ein schönes Möbelstück zu Lebzeiten, danach kann es als Sarg benutzt werden“, stand auf einem kleinen Schild in dem Schrank. Etliche Besucher blieben stehen, stutzten und staunten. Einige kicherten. Irritiert waren wohl fast alle.

Anna Siotto zeigt wie es geht

Anna Siotto zeigt, wie es geht: Ein paar Handgriffe und der Schrank ist ein Sarg.
Quelle: Marion von Imhoff

Zehn solcher Sargmöbel zum Stückpreis von rund 3000 Euro hat die 56-Jährige in ganz Deutschland bisher verkauft. Einer von ihnen ist schon unter der Erde. „Die Idee ist, dass man sich den Sarg als Möbel kauft mit dem Gedanken der Endlichkeit“, erläutert die in Hagelberg lebende Künstlerin. Wer ein Sargmöbel bei Anna Siotto bestellt, muss sich eines gefallen lassen, auch kein leichter Gedanke: Die zierlich gebaute nur etwa 1,60 Meter große Frau nimmt Schultermaß, um die Breite des späteren Sarges seinem Besitzer anzupassen.


Über das Sterben reden

Bisher stellten sich nur Frauen einen solchen Schrank auf. „Warum das so ist, kann ich nicht sagen, vielleicht gehen Frauen mit dem Thema Tod leichter um, weil sie gebären können.“

Als eine ältere Dame ihren Kindern berichtete, was es mit dem neuen Garderoben-Schrank auf sich habe, seien diese ganz erleichtert gewesen. „Die waren froh, dass das schon erledigt war und haben dann über das Sterben geredet und nicht so getan, als gebe es das nicht.“ Auf Anna Siottos Flyer steht: „Ein Sargmöbel ist etwas Schönes – jetzt und später – im Leben und im Tod. Fragen Sie mich. Ich erzähle Ihnen gerne mehr darüber. Sie sterben deshalb nicht früher.“ Und dann sagt Anna Siotto: „Über Sterben reden, heißt, dass Menschen auch über das Leben sprechen.“

Dieses Landarbeiterhäuschen im Fläming ist Anna Siottos neue Heimat

Dieses Landarbeiterhäuschen im Fläming ist Anna Siottos neue Heimat. Unter dem Zeltdach arbeitet sie am Holz.
Quelle: Marion von Imhoff

Das Leben der Anna Siotto hat in Kaiserslautern als Tochter eines Italieners und einer Deutschen begonnen. Der Vater war Dolmetscher. Nach der Schule begann die junge Frau eine Schreinerlehre, aber sie fand erst nach mehreren Stationen den passenden Ausbilder, einen Meister Eder wie bei Pumuckl, einen über 70 Jahre alten Schreiner mit gemütlicher Werkstatt in Freiburg, der eine Frau als Auszubildende nicht nur akzeptierte, sondern förderte.

Bretter im Holzlager der Schreinerin

Bretter im Holzlager der Schreinerin.
Quelle: Marion von Imhoff

Bis vor einem Jahr lebte Anna Siotto in einem Ort fern des Flämings auf der Schwäbischen Alp. „In Süddeutschland aber war ich besonderer als hier in Hagelberg.“ Sie hatte es irgendwann satt, ein Unikum zu sein „als Frau, die solch eine Arbeit macht, alleine lebt und im Winter für ein halbes Jahr auf eine kleine italienische Insel verschwindet.

Ein dörfliches Paradies

Der Ort stimmte nicht mehr so für mich. Ich brauche einen, wo ich mehr Ruhe finde, mich mehr auf meine Arbeit konzentrieren kann.“ So wie auf der Insel Alicudi bei Sizilien, auf der die Frau mit dem italienischen Pass von Oktober bis Mai lebt und arbeitet. Bei einem Urlaub voriges Frühjahr im Fläming entdeckte Anna Siotto Hagelberg, mit 200 Metern über dem Meeresspiegel einer höchsten Erhebungen im Land Brandenburg. Dort stand ein früheres Landarbeiterhäuschen samt Schweinestall zum Verkauf. Mit ihrer Lebensgefährtin Hanna Lindenberg, einer Goldschmiedin, überlegte Anna Siotto nicht lange. Sie kaufte das kleine unsanierte Anwesen.

Ein dörfliches Paradies mit Holzlager im Garten ist entstanden und Platz für die schweren Holzmaschinen. Nebenan wohnt der Ortsvorsteher. Freundlich gehen die Grüße hin und her. Hagelberg, das sei ein Dorf, in dem alternativ lebende Menschen nicht auffielen, nichts besonderes seien, schwärmt Anna Siotto.

Im Garten steht ein Anhänger, mit dem sie ihre Möbel deutschlandweit zur Kundschaft ausliefert. Derzeit hat sie zwei Betten und einen Tisch in Arbeit. Im Ausstellungsraum, der nach Leinöl und Terpentin duftet, hebt Anna Siotto neben zu Handschmeichlern geschmiergelten Tischen eine Metallkiste. Darin liegen zuhauf Flyer über alternative Bestattungsformen und Frauen-Seminare zu den Themen. Anna Siotto stellt ihre Möbel häufig aus bei Frauenprojekten in der Kunsthandwerk-Szene in Deutschland. Es ist ein freies Leben, das Anna Siotto führt, mit einer heiteren und entspannten Arbeit an Möbeln auch für den Tod.

Von Marion von Imhoff