Matthias Schaffer

Fehlerhafte Hölzer und Sargmöbel - Anna Siotto im Interview

Anna Siotto

Die Künstlerin Anna Siotto stellt multifunktionale Möbel der ganz besonderen Art her. Neben handgemachten Tischen, Betten und Schränken in einzigartig naturbelassener Optik erzeugt die Halbitalienerin sogenannte „Sargmöbel“, die nach ihrer ersten Funktion als Schrank, Truhe oder Bank auch gleich noch als Sarg verwendet werden können. Ich traf Anna Siotto an einem sonnigen Sonntag Anfang September in einem kleinen Biocafé am Stadtrand von Berlin, um mit ihr über ihre Arbeit zu sprechen.

Wie kam es zu der Idee Sargmöbel herzustellen?

Die Idee Särge zu machen, stand immer wieder einmal im Raum, aber der konkrete Auslöser für die Sargmöbel war, dass eine Freundin von mir ein Bestattungsunternehmen von Frauen für Frauen gründen wollte und mich gefragt hat, was die Herstellung eines richtig schönen Sarges kosten würde. Dabei fiel mir auf, dass Särge eigentlich eine enorme Verschwendung von Arbeitszeit und Energie sind, weil sie ja meistens nur ein oder zwei Stunden zu sehen sind und dann in der Erde verschwinden. Trotzdem wollen alle einen besonders schönen und teuren Sarg haben, während man im Leben ja viele Dinge nicht tut, die einem gefallen würden und gut täten, weil man meint kein Geld oder keine Zeit zu haben. Also fing ich an darüber nachzudenken, dass sich die Form eines Sarges anbieten würde etwas Schönes daraus zu machen, das man auch im Leben benutzen und genießen kann, wie eben eine Truhe, einen Schrank oder eine Bank.

Sargmöbel
Individuell. Schrank und gleichzeitig Sarg aus Elsbeere und Birnbaum

Wie reagieren die Menschen, wenn sie erfahren, dass ein Möbelstück auch als Sarg verwendet werden kann?

Es kommt durchaus vor, dass manche Leute das makaber finden, aber in der überwiegenden Mehrheit sind die Reaktionen positiv und die Leute finden die Idee gut oder zumindest interessant. Trotzdem bemerke ich oft, dass die Menschen, wenn sie sehen, dass ein Möbelstück auch als Sarg verwendet werden kann, intuitiv einen Schritt zurück machen, fast so als würde Ansteckungsgefahr bestehen, wenn sie sich zu sehr mit dem Thema befassen.

Sargmöbel
Gedoppeltes Einzelstück. Doppelsarg aus Birnbaum, Ahorn und Birke

Wie sieht der typische Käufer eines Sargmöbels aus?

Bisher habe ich ausschließlich an Frauen verkauft, was natürlich viele Gründe haben kann. Mein Gefühl ist aber, dass Frauen grundsätzlich mit dem Thema Tod etwas besser umgehen können als Männer, vielleicht auch weil sie Kinder gebären und dadurch näher an der Thematik dran sind.

Sargmöbel
Schmuckstück aus Birke. Sargmöbel von Anna Siotto

Hast du für dich selbst ein Sargmöbel gebaut?

Bisher nicht, aber das liegt auch an meiner etwas speziellen Lebenssituation. Da ich ja die eine Hälfte des Jahres auf einem Biobauerhof in Deutschland und die andere Hälfte in meinem Haus auf der italienischen Insel Alicudi verbringe, wüsste ich momentan nicht wohin damit. Ich tendiere aber eher zu einer Truhe oder einer Bank als zu einem Schrank.

Tische
Nicht auf Sargmöbel beschränkt. Anna Siotto baut auch Tische

Du arbeitest hauptsächlich mit sogenannten „fehlerhaften Hölzern“. Was reizt dich daran?

Mir gefällt das einfach total gut. Ich sehe ein rohes Brett und weiß schon, dass es schön wird bzw. schon schön ist. Meine Fähigkeit oder meine Arbeit besteht darin diese Schönheit für alle sichtbar zu machen. Die Leute denken oft, dass ich zu faul bin um etwas gerade zu schneiden. Dabei ist es total aufwändig mit solchen Brettern zu arbeiten, denn der Schrank muss ja trotzdem als Schrank funktionieren, die Türen müssen gut zu öffnen und schließen sein und man darf sich nicht die Finger daran verletzen. Ich habe mein Handwerk bei einem relativ normalen Schreiner gelernt und dort würde man diese Besonderheiten alle weg schneiden und gerade machen. Ich finde aber, dass gerade sogenannte Fehler das Holz und dadurch meine Möbel so schön und besonders machen.

Sargmöbel
Von wegen fehlerhaft. Sargmöbelschrank aus Birnbaum und Birke

Hast du eine Lieblingsholzart?

Ja, mein momentan allerliebstes Holz ist Birne. Ich mag daran vor allem wie es aussieht und sich anfühlt, aber auch wie es sich verarbeiten lässt. Früher war Kirschbaum mein Lieblingsholz, das mag ich auch nach wie vor sehr gerne. Schön finde ich natürlich auch andere Hölzer, aktuell verwende ich beispielsweise sehr oft Ulme, aber mein aktuelles Lieblingsholz ist wie gesagt Birne.

Kommode
Annas Lieblingsholz in Aktion. Kommode aus Birnbaum und Ahorn

Siehst du dich selbst als Künstlerin oder als Handwerkerin?

Ich finde es ist eine Mischung daraus. Ich bin sehr gerne Schreinerin und es ist die Grundlage für meine Arbeit, aber ich fühle mich genauso als Künstlerin. Die Grenzen sind da fließend..

Anna Siotto in ihrer Schreinerwerkstatt
Handwerk und Kunst gleichermaßen. Anna Siotto bei der Arbeit

Wer mehr über die Sargmöbel von Anna Siotto und ihre sehr vielseitige Arbeit - unter anderem auch als Reiseveranstalterin für Frauenreisen in ihre Zweitheimat Alicudi - wissen möchte, dem sei ein Besuch auf ihrer Homepage ans Herz gelegt. Dieser Webtipp lässt sich gut mit einem Satz von einem Werbe-Flyer der Künstlerin abrunden: "Sie sterben deshalb nicht früher…" Garantiert!